Präsentation

mittwochs 36

Az W-Themenabend "Arisierung" und Restitution in Wien, 2. Teil

Mi 11.12.2002, 17:30-00:00

Aufgrund der großen Dichte an „arisierten“ Gebäuden bewegen wir uns in einer zweiten Tour von der Gegend des Naschmarktes und der Operngasse Richtung Opernring.
Führung: Stephan Templ

1. Station:

ehemaliges Café Dobner
wo die Literatur am Naschmarkt zu Hause war. Eigentümerin war Johanna Medak, die 1943 in Theresienstadt umkam. Arisieur war Robert Püringer, Blutordensträger. Nach 1945 angeblich völlig verarmt, muß er das heruntergekommene Café an die Erben Medaks zurückgeben, die Erträgnisse muß er nicht zurückgeben.

2. Station:

Freihausgründe.
Bauherr und Eigentümer war Oskar Poeller, der bis 1933 als Investor in Berlin aktiv war. In den Jahren 1935-38 läßt er durch die Architekten des „Roten Wien“ Schmied und Aichinger die Bärenmühle errichten, den dahinterliegenden Block durch den Stararchitekten des Austrofaschismus, Clemens Holzmeister. Interessante Kombination. Poeller kommt in Frankreich um, seine Frau mit Tochter in Auschwitz, die Immobilien werden nur zum Teil zurückgegeben. Wir werden in die Stiegenhäuser schauen: einzigartig für Wien ist der Ausstattungsgrad- zentralbeheizte Stiegenhäuser.

Porr Haus: Ottokar Stern, ein Bautycoon seiner Zeit hielt mit Ing. Siegfried Pick und Adelheid Stern 13% der Aktien der Porr-Baugesellschaft.

Station 3.

Schikanederkino:
eines von 80 Kinos, die arisiert wurden. Der nackte Kinosaal wurde zurückgegeben, die Lizenz nicht. Diese hatte nun die gemeindeeigene KIBA inne.

Station 4.

Ehrbar Säle Mühlgasse:
Der Gestapo-Vertrauensanwalt Stefan Lehner „arisierte“ die Liegenschaften Mühlgasse 28+30. Hier war und ist ein für Wien bedeutender Konzertsaal untergebracht. Eigentümer bis 1938 war Kurt Steinitz, Juwelier. Flüchtete nach Südamerika.

Das Nebenhaus gehörte der Familie Flamm. „Aristoariseur“: Gräfin Maria Gudenus.

Station 5:

Rechte Wienzeile 29:

Wohnhaus Fritz Grünbaum:
Hier wohnte der Kabarettist Fritz Grünbaum bis zu seiner mißglückten Flucht am 11.3.1938 in die Tschechoslovakei. In diesem Haus befand sich auch die hervorragende Kunstsammlung Grünbaums. Heute zum Teil im Museum Leopold.

Station 6:

Naschmarkt:
Etwa ein Drittel der Stände wurde „arisiert“ – also etwa 300. Keine Rückstellung. Maximal Ersatzstand. Auch nur dann, wenn der Rückstellungswerber nachweislich in Wien gelebt hat.

Station 7:

Linke Wienzeile 34
Haus des Schriftstellers Hermann Broch. 1941 fällt es durch die 11. Verordnung des Reichbürgergesetzes dem „Deutschen Reich“ zu. Ein Beispiel, wie korrupt die rückzustellende Finanzlandesdirektion war.

Station 8:

Laimgrubengasse 4
Haus des Architekten Higo Gorge; Enteignet – Deutsches Reich – Rückstellung Finanzlandesdirektion

Station 9:

Linke Wienzeile 36
Haus des Leon von Wernburg. „Arisiert“ durch das Bistum St. Pölten. Rückstellung eingeleitet, danach gelöscht. Wahrscheinlich Vergleich. Kein Aktenmaterial dazu vorhanden, da alle Rückstellungsakten für Wien 1986 skatiert wurden.

Station 10:

Linke Wienzeile 40
Otto Wagners Majolika-Haus. Ein Haus, das in jedem Wien-Prospekt zu finden ist. 1938 im Eigentum des Willhelm Frankl. Dieser wird im April 1938 entmündigt (wegen „Zeichen von Verfolgungswahn“). Sein gesamter Besitz wird durch den Zwangskurator verschleudert. Das Majolika-Haus „erhalten“ die Großschlächter Wöber. Keine Rückstellung. Wöber, die kinderlos waren vermachen es der Kirche.

Station 11:

Apotheke „Am Naschmarkt“
Apotheke bis 1938 im Besitz von Julius Becker. Der SS-Mann Otto Ehrmann zwingt Becker im April 1938 die Apotheke zu verlassen und ihm zu übergeben. Becker erschießt sich noch am selben Tag. Ehrmann nimmt nach 1945 große Schulden auf die Apotheke auf. Die Rückstellungskommission entscheidet die Rückstellung an die Witwe Beckers – sie muß nun die Schulden Ehrmanns abzahlen.

Station 12.

Witte – Arisches Spezialhaus
Witte nannte sich schon 1937 „Arisches Spezialhaus“. 1938 raubt man der Firma Schönherz den Maschinenpark, der sich heute noch in dem Geschäft befindet.

Station 13:

Theater an der Wien
Das Theater gehörte bis zum Jahre 1940 der Familie Marischka. Die Gemeinde Wien zwang diese zum Verkauf. Ob sie Juden waren oder nicht, geht aus den Akten nicht hervor. 1955 kommt es zur Rückstellung des Theaters. Im Mai 1938 endete für den Direktor des Theaters, Arthur Hellmer, die Spielsaison. Er emigrierte.

Wienzeile 4, „Wienzeilenkino“
Der Anteil von Charlotte Hager wurde durch den bekannten Photographen Lothar Rübelt „arisiert“.

Station 14:

Haus Bloch-Bauer, Elisabethstraße 18,
Hier befand sich die legendäre Kunstsammlung des Zuckerbarons Ferdinand Bloch-Bauer. Seit mehr als fünfzig Jahre kämpfen nun die Vorfahren um die Rückgabe dieser Sammlung. Einiges wurde mittlerweile restituiert, die wertvollsten Gemälde jedoch (5 Bilder von Klimt) sind nach wie vor im Besitz der Österreichischen Galerie.

Station 15:

Wohnhaus Rudolf Kraus
Der Industrielle Rudolf Kraus (Bruder des Schriftstellers K.K.) ließ sich von Adolf Loos das Haus Nibelungengasse 13 adaptieren.
Rudolf Kraus und seine Frau Anna Maria Marianne kamen in Auschwitz um. Das Haus wurde von den Siemens-Schuckertwerken „arisiert“ und nicht zurückgestellt.