Presse

Az W Jahres­programm 2024

ein paar Menschen vor einem Eingang mit der Aufschrift Architekturzentrum Wien, daneben ein Baum in einem großen Topf und Sonnenschirme

Architekturzentrum Wien
© Foto: Lisa Rastl

Mit der Ausstellung „Über Tourismus“ richtet das Architekturzentrum Wien im Frühjahr 2024 einmal mehr den Fokus auf jene gesellschaftlichen Fragen und Krisen, mit denen das Bauen und Planen untrennbar verbunden ist. Welche Auswirkungen hat die stetig zunehmende Reiselust auf die gebaute Umwelt, das soziale Gefüge und den Klimawandel? Und wie können wir einen Tourismus imaginieren, der nicht zerstört, wovon er lebt? Der Herbst bietet anlässlich des 100. Geburtstags des Wiener Architekten und Designers Carl Auböck Einblicke in die Sammlung des Az W sowie einen Blick nach vorne mit einer Auswahl wegweisender Architektur in der Schau „Europas beste Bauten“.

Seit Jahrzehnten erfährt der Tourismus eine kontinuierliche Intensivierung und ist zu einem integralen Bestandteil unseres westlichen Lebensstils geworden. Die wirtschaftliche Erfolgsgeschichte des Tourismus hat in vielen Regionen für Wohlstand gesorgt und Abwanderung verhindert. Der Erfolg zeigt aber auch immer öfter seine Schattenseiten wie grobe Umwelteingriffe und die Verdrängung der lokalen Bevölkerung durch steigende Bodenpreise. Meistens sind die Vor- und Nachteile ungleich verteilt. Was die Frage aufwirft: Wer plant den Tourismus? Und wann wird Tourismus eigentlich zum Übertourismus? Neben gleichermaßen tiefgreifenden und anschaulichen Analysen stellt die Ausstellung „Über Tourismus“ ab März 2024 eine Vielzahl von Initiativen vor, die einen sorgsamen Umgang mit der Natur, der lokalen Bevölkerung, Städten und Dörfern, dem Klima und der Mobilität pflegen.

2024 wäre Carl Auböck 100 Jahre alt geworden. Das Jubiläum sowie die Übernahme seines Nachlasses in die Sammlung des Az W bilden den Rahmen für die Ausstellung „Vom Besteck zur Fertighaussiedlung: Der Architekt und Designer Carl Auböck“ ab September 2024. Möbel, Designobjekte, Architekturmodelle, Pläne, Fotos und Zeichnungen vermitteln sein kosmopolitisches Leben und Schaffen. Das neue Format „Living Archive“ ermöglicht einen einzigartigen Blick hinter die Kulissen. Besucherinnen können dem Sammlungsteam bei der Arbeit über die Schulter blicken und Gäste als Zeitzeuginnen erleben.

Anfang Oktober 2024 ist dann wieder der Publikumsliebling „Europas beste Bauten“ im
Az W zu sehen. Mit seinem aufwendigen Nominierungsverfahren mit hunderten Expert*innen in über dreißig europäischen Ländern gilt der „Preis der Europäischen Union für zeitgenössische Architektur. Mies van der Rohe Award“ als Seismograf für das Architekturgeschehen und seine aktuellen Themen. Vorsitzender der hochkarätigen Jury ist dieses Jahr der Architekt Frédéric Druot aus Paris.

Beim Architektur.Film.Sommer heißt es im August wieder Film ab im Hof des Az W. Die diesjährige Ausgabe des Filmfestivals zeigt Kurzfilme, Dokumentationen und Spielfilme zu den räumlichen Auswirkungen des Tourismus und begleitet so gemeinsam mit zahlreichen Veranstaltungen die aktuelle Themenausstellung. Auch die vielbeachtete Schausammlung „Hot Questions – Cold Storage“ wird mit einem dichten Veranstaltungs- und Vermittlungs-programm vertieft. Vor Ort machen Exkursionen neue Bauten 1:1 erlebbar und Workshops für Schulen und Familien vermitteln Architektur auch an die jüngsten Besucherinnen. Zentrale Programmpunkte des Jahres finden sich im Media Channel des Az W zum Nachschauen.

Das Architekturzentrum Wien setzt sich mit seiner umfassenden Architektursammlung des 20. und 21. Jahrhunderts in Österreich aktiv für die Sicherung des architektonischen Erbes ein. Das Projekt „Az W Sammlung online meets Architektinnenlexikon“ ist Teil des europäischen open access Projektes „Kulturerbe digital“. Es werden Objektdigitalisate mit dem Online-Lexikon verknüpft sowie 19.500 Architekturfotografien von Friedrich Achleitner, Margherita Spiluttini und Karin Mack der Europeana Datenbank zur Verfügung gestellt. Mit der Integration von 200 Einträgen zu Architekturpionierinnen wird das Architektinnenlexikon gezielt erweitert. Dazu kommen auch 2024 Forschungsprojekte und -kooperationen mit internationalen Universitäten.

Um die Sicherung des architektonischen Erbes physisch zu gewährleisten, wird das Az W-Sammlungsdepot in Möllersdorf saniert. Eine Umstrukturierung des ehemaligen Industrieareals macht die Adaptierungen der Depothallen notwendig. Das Az W nützt die Gelegenheit für einen energieeffizienten Umbau mit Unterstützung der Stadt Wien, dem BMKÖS, dem EU-Klimafonds sowie dem Liegenschaftseigentümer. Die Zusammenfassung der bisherigen drei Hallen in einem Gebäudekomplex erleichtert die Archivierung, Zugänglichkeit und Bearbeitung der Materialien. Eine Flächenerweiterung um 20 Prozent, die verbesserte Nutzbarkeit der Hallenhöhe sowie ein zeitgemäßes Research Center für internationale Forscherinnen schaffen eine langfristige Raumressource. Das Heiz-Kühlsystem wird auf eine Wärmepumpe umgestellt, ergänzt durch eine Photovoltaikanlage am Dach. Gemeinsam mit Einzelmaßnahmen zur Verbesserung der thermischen Qualität des Gebäudes wird eine Reduktion des Endenergieverbrauchs um 82 % (189.500 kWh/a) und eine Reduktion der CO2-Emissionen um 85 % (37,0 t/a) erreicht.

Die Sanierung und Adaptierung des Az W-Sammlungsdepots ist ein Meilenstein, um die bedeutendste und umfassendste Sammlung zur österreichischen Architektur und deren breite Zugänglichkeit zu sichern. Gemeinsam mit seinen öffentlichen und privaten Unterstützer*innen wird das Az W damit seiner Verantwortung als – de facto – österreichisches Architekturmuseum gerecht. Noch nicht abgesichert hingegen ist die zukünftige Finanzierung von Programm und Betrieb. Hier appelliert das Az W weiterhin an die öffentliche Hand für eine angemessene Reaktion auf die reale Teuerung.

Rückblick 2023

2023 feierte das Az W sein 30-jähriges Bestehen. Das Jubiläum stand unter dem Leitgedanken: Architektur trägt Mitverantwortung für die Zukunft, und das Verhältnis zur Zukunft hat sich seit der Gründung des Az W verändert. Heute geht es verstärkt darum, gleichermaßen für die Rechte von Mensch und Natur zu sorgen. Das vermittelte die Ausstellung „Yasmeen Lari. Architektur für die Zukunft“ eindringlich. Die heute über 80-jährige erste Architektin Pakistans entwarf ikonische Bauten der Moderne, bevor sie die weltweit größte Zero-Carbon-Selbstbau-Bewegung begründete. Wenige Monate nach der Ausstellungseröffnung und dem Erscheinen der Publikation bei MIT Press erhielt Lari die Gold Medal des Royal Instituts of Architects.

Seit mehreren Jahren wird im Az W der Nachlass von Hans Hollein umfassend aufgearbeitet. Die Ausstellung und die Publikation „Hollein Calling. Architektonische Dialoge“ zeigen eine Fülle von bisher unveröffentlichten Materialien des einzigen österreichischen Pritzker-Preisträgers. Im Dialog mit 15 zeitgenössischen europäischen Architekturbüros entstanden überraschende Perspektiven auf das Phänomen Hollein. Und mit der Ausstellung „Zwischen Kostenschätzung, Muttermilch und Bauwende“ fragten wir, was die jüngste Generation österreichischer Architektinnen beschäftigt. Die Schau lieferte eine Momentaufnahme ihrer Anliegen und Forderungen, die trotz multipler Krisen von einem taktischen Optimismus geprägt ist.

Brennende Fragen zu Klimakrise, Verteilungsgerechtigkeit und Zusammenleben stellt auch unsere Schausammlung „Hot Questions – Cold Storage“. Im Februar 2023 erschien das umfangreiche Buch dazu und im März wurden die vielstimmigen Hörstationen in der Ausstellung eröffnet. Und nach fast drei Jahren mit insgesamt 21 Stationen in ganz Österreich ging die Ausstellungs-Tour von „Boden für Alle“ im Frühjahr 2023 mit der letzten Station in Eisenstadt ins Finale. Österreichweit sorgte die Ausstellung mit dem Aufruf zu einer mutigen Bodenpolitik für viele Schlagzeilen und Besucherinnen.

In zahlreichen gut besuchten Veranstaltungen, Workshops, Exkursionen sowie im Architektur.Film.Sommer wurden die Themen Bauwende, Transformation von Bestand, kulturelles Erbe, Architekturausbildung, Stadtentwicklung und Ernährungssicherheit, Gesundheit, Bodenverbrauch und Recht auf Wohnen vertieft.

Als Grünes Museum legen wir Wert darauf, dass Ausstellungsmaterialien konsequent weiterverwendet werden. Die Szenografie der Lari-Ausstellung plante die Nachnutzung bereits mit. Sämtliche Holzelemente wurden in den folgenden beiden Ausstellungen eingesetzt. Die Ausstellungsmodule der Wanderausstellung „Boden für Alle“ kamen anschließend im Kunstverein Eisenstadt zum Einsatz, währende Module aus der Tatiana Bilbao-Schau für eine Ausstellung zum Thema Urban Mining im Sophienspital Verwendung fanden.

Weiters freuen wir uns, dass unser Café-Restaurant, das 2001 von den französischen Architektinnen und Pritzker-Preisträgerinnen Anne Lacaton und Jean Philippe Vassal gestaltet wurde, nach einer umfassenden und behutsamen Sanierung im Sommer 2023 unter dem neuen Namen „Kaan“ wieder eröffnet wurde.

„Das Architekturzentrum Wien ist ein Ort, an dem neuralgische Debatten gleichermaßen leidenschaftlich wie fundiert geführt werden. Neben der kritischen Bestandsaufnahme geht es uns in Zeiten multipler Krisen vor allem darum, Handlungsoptionen aufzuzeigen. Wir verstehen das Museum als Change Maker in Richtung einer solidarischen, ökologischen und nicht zuletzt schöneren Welt. Unser Dank gilt allen öffentlichen und privaten Unterstützer*innen, dem herausragenden Team des Architekturzentrum Wien sowie dem Publikum, das uns bestärkt.“

Az W-Präsident Hannes Swoboda
Az W-Direktorin Angelika Fitz
Az W-Geschäftsführerin Karin Lux