Das Az W trauert um Heinz Tesar

1939–2024

Heinz Tesar
© Daniel Gebhart de Koekkoek

„Die Architektur ist die Nichtkunst der Künste. Architektur ist nonverbal. Architektur wirkt.“ (Heinz Tesar)

Heinz Tesar war ein Grenzgänger zwischen Architektur und Kunst und unter den österreichischen Architekt*innen eine Ausnahmeerscheinung. Der Entwurfsprozess war für ihn zentral und wurde stark von sprachlichen Notaten und zeichnerischen Vorformen begleitet. Diese dienten als impulsgebende Vehikel für die weitere Entwicklung und waren gleichzeitig „Präarchitekturen“ der nachfolgenden Formgebung. „Die Zeichnung ist der Gedanke des Körpers, Notate in Notizbüchern sind die unvollständigen Tagebücher des Architekten,“ so Tesar.

Am 16.6.1939 in Innsbruck geboren, studierte Heinz Tesar von 1961–1965 Architektur an der Akademie der bildenden Künste in der Meisterklasse von Roland Rainer. Von 1969 bis 1973 war er als Mitarbeiter im Büro von Wilhelm Holzbauer tätig. 1973 gründete er ein eigenes Architekturbüro in Wien. Von 1983 an war Tesar ein vielgefragter Gastprofessor an renommierten Universitäten in den USA, Kanada, Deutschland, Italien, Österreich und der Schweiz. Er unterrichtete gerne, gleichzeitig war er ein ständig Reisender, der nicht an einen Ort gebunden sein wollte, was eine langjährige Professur verhinderte. Eine gewisse Autonomie wollte er nicht aufgeben, dazu war ihm die Konzentration auf die eigene Arbeit zu wichtig.

In seinem Werk beschäftigte sich Tesar mit der Weiterentwicklung der architektonischen Sprache der Klassischen Moderne „österreichischer Ausprägung“ und zeichnete für eine Reihe wegweisender Bauten verantwortlich, die vor allem den Typologien Museumsbau, Verwaltungsgebäude und Kirche zuzurechnen sind. Wichtige realisierte Bauten sind etwa der Verwaltungsbau für eine ehemalige Baumarktkette, das Schömer Haus in Klosterneuburg (1985–1987), das ursprünglich auch die umfangreiche Privatsammlung der Bauherren beherbergte. Rund zehn Jahre später wanderte die Sammlung in das ebenfalls von Heinz Tesar in unmittelbarer Nachbarschaft errichtete Museum Sammlung Essl (1996–1999). Tesar notierte dazu: „Museen sind öffentliche Gehäuse, ihre Architektur beginnt vor der Architektur.“ Die bevorstehende Wiedereröffnung des Museumsgebäudes als Albertina Klosterneuburg am 9.4.2024 erlebt er nun leider nicht mehr.

Äußerst sensibel ging Heinz Tesar mit Altbestand um, wie etwa das international vielbeachtete Keltenmuseums in Hallein (1991–1994) oder die Sanierung des historischen Bode-Museums in Berlin (1997–2006) zeigen. Auch sein letzter Bau, das 2015 fertiggestellte Museo Bailo in einem ehemaligen Kloster aus dem 15. Jahrhundert (mit Studio Mas), beweist sein Gespür für Bauen im Bestand. Es gelang Tesar, in seinem Œuvre über Jahrzehnte eine bemerkenswerte Qualität im Dialog von unterschiedlichen historischen Schichten aufrechtzuerhalten.

Dem modernen Kirchenbau konnte Tesar mit der evangelischen Kirche in Klosterneuburg (1993-1995) und der römisch-katholischen Kirche „Christus Hoffnung der Welt“ in der Wiener Donaucity (1998–2000) einen individuellen Stempel aufdrücken. In beiden Fällen imponiert der souveräne Einsatz von Lichtöffnungen für die spirituelle Raumwirkung.

Obwohl ihm die Konzentration auf das eigene Werk wichtiger war als dessen mediale Verbreitung, waren die Arbeiten von Heinz Tesar Gegenstand zahlreicher Ausstellungen, unter anderem war ihm 2008 die erste Einzelausstellung eines zeitgenössischen österreichischen Architekten in Japan gewidmet. Bereits ab den 1970er-Jahren interessierten sich viele Galerien für seine Zeichnungen, Skizzen, Modelle und sprachlichen Notate.

Unmittelbar nach der Überreichung des Österreichischen Staatspreises für Architektur im Jahr 2011 übergab Heinz Tesar sein Archiv als Schenkung an das Architekturzentrum Wien. Er definierte Architektur als ein „in sich ruhendes Behältnis von Luft, Licht, Körper, Materialität und Raum“. Mit seinem Tod verliert die österreichische Architektur einen intellektuellen, von Sprache und Zeichnung geleiteten, poetischen Architekten.