Das Az W trauert um Günther Feuerstein!

schwarz-weiß Foto mit altem Mann mit Bart

Günther Feuerstein
© Foto: Markus Patak

Vor etwas mehr als einem Jahr feierte Günther Feuerstein seinen 95. Geburtstag im Architekturzentrum Wien. Bereits 2017 übergab er zentrale Materialien aus seinem vielseitigen Arbeitsleben an die Sammlung des Architekturzentrum Wien. Nun müssen wir uns leider von ihm verabschieden.

Mit 95 Jahren hatte er noch ein neues Buch mit dem Titel „Zeitzeuge Günther Feuerstein. 100 Jahre Moderne Architektur. 100 Menschen. 100 Bauten“ geschrieben und damit bewiesen, dass es eine österreichische Architekturgeschichte ohne ihn nicht geben kann. Wobei „Zeitzeuge“ zu passiv klingt – er war viel mehr: Architekt, Lehrer, Forscher, Publizist und vor allem: mutiger Initiator und Katalysator. Vieles hat er angestoßen, mitbewegt, begleitet. Man könnte auch sagen, er hat das Architekturgeschehen in Österreich nach 1945 erst wachgerüttelt. Seine Publikationen über inzidente und visionäre Architektur veränderten den Blick auf die österreichische Architekturgeschichte und kontextualisierten bzw. positionierten diese auch international.

Geboren wurde Günther Feuerstein am 21.10.1925 in Wien. Er studierte Architektur an der TU Wien und war Ende der 1950er-Jahre im Atelier von Karl Schwanzer tätig, wo er u.a. am Expo-Pavillon für Brüssel mitarbeitete. Die Jahre von 1961 bis 1968 – als Assistent von Karl Schwanzer an der TU Wien – sollten sich als besonders prägend herausstellen: In dieser Zeit erfand er die legendären „Klubseminare“, die für einige der international erfolgreichsten Architekt*innen dieses Landes wegweisend wurden. Und Jahrzehnte bevor „Design Build“ in der Architekturausbildung modern wurde, veranstaltete er bereits mit seinen Studierenden in den Sommermonaten experimentelles Bauen.

Feuerstein wurde mit seinen Lehrformaten und Inhalten zum Katalysator für das Neue und Visionäre in der Architektur. Er regte performative und theatralische Formate an und schlug eine Brücke zur Kunst – u.a. durch Einladungen an Walter Pichler und Otto Muehl. Letzteres führte zu seiner Entlassung an der TU Wien. Danach war er an der Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz von 1973 bis 1996 Professor für Umraumgestaltung. Bis kurz vor seinem 95. Geburtstag hatte er auch noch an der TU Innsbruck unterrichtet, wo ihm 2020 das Ehrendoktorat verliehen wurde.

Günther Feuerstein führte von 1962–2000 auch ein eigenes Büro, das „Atelier für Entwurf, Planung, Forschung“. Zu seinen wichtigsten Bauten zählen etwa die Experimentalsiedlung in Hörsching bei Linz oder das integrative Wohnprojekt in Hirschstetten (gemeinsam mit Rob Krier und Monika Stein). Zahlreiche Revitalisierungen gehen ebenfalls auf sein Konto.

1965–1967 war er gemeinsam mit Hans Hollein, Gustav Peichl, Sokratis Dimitriou und Walter Pichler Teil der Redaktion der Zeitschrift „BAU“. Von 1970–1989 gab er das Architekturmagazin „Transparent“ heraus und publizierte regelmäßig in Tageszeitungen zu Architektur und Stadt.

Seine Manifeste und Bücher haben der Architektur über Jahrzehnte Mut gemacht. Mut, mehr zu sein als bloße Dienstleisterin für die Bau- oder die Finanzwirtschaft; Mut, Funktionalismus und Pragmatismus der Nachkriegszeit zu überwinden und von neuen Welten zu träumen. Als Lehrender hat er mit seinen visionären Theorien einen ganzen Berufsstand nachhaltig beeinflusst. Ohne Günther Feuerstein wäre die österreichische Architekturgeschichte eine andere geworden.

Als Anerkennung für sein Wirken wurde ihm im heurigen Jahr der Hans-Hollein-Preis für Architektur zuerkannt. Dieser konnte nun leider nicht mehr überreicht werden.