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Ottokar Uhl und seine Modell­kirche für Korea

Objekt aus der Sammlung

Straßenszene mit Pferdekarren und Häusern im Hintergrund

Bauarbeiten an der Kirche inmitten einer typischen Straßenszene, Naedangdong, Daegu, KR
© Foto: Architekturzentrum Wien, Sammlung

„Bei einer Notenskala von 4 Noten würde ich folgendermaßen klassifizieren: Städtebaulich 1, Außenraum 1, Innenraum 1, Liturgie 1.“ Ottokar Uhl in einem Brief an seine Mitarbeiter über die Kirche in Daegu

Als die Kirche in Naedangdong, Daegu (Südkorea), 1966 feierlich eröffnete, bildete sie einen scharfen Kontrast zu ihrer Umgebung: flache Hütten, Menschen in traditioneller Tracht und Tiere in ländlicher Szenerie. Demgegenüber erhebt sich der Bau von Ottokar Uhl als stufenförmige Pyramide mit einem Grundriss von 25 x 25 Metern auf einer Hügelkuppe. Zentrales Element ist das ausschließlich von oben durch verschieden hohe Deckenöffnungen einfallende Licht. Die gestapelten Stahlbetonquader mit ausgefachten Wänden aus Klinkersteinen wirken auf zeitgenössischen Fotos sehr monumental. Heute ist die Kirche rundum komplett zugebaut.

In den 1960er Jahren war Naedangdong ein soziales Brennpunktviertel mit Missionsstationen für Leprakranke und hoher Kriminalitätsrate. Initialzündung für das Projekt war der Besuch des Erzbischofs Sye Bong-Kil aus Daegu in Wien. Eine wichtige Rolle in dem katholischen Netzwerk zwischen Österreich und Südkorea spielte der österreichische Priester Rudolf Kranewitter, der in Südkorea eine Pfarre leitete. Das ursprüngliche Bauvorhaben, das auch ein Seelsorgezentrum umfasste, wurde aus finanziellen Gründen reduziert. Maßgebliche Unterstützung erfuhr es durch die Sternsingeraktion der österreichischen Katholischen Jungschar. Uhls Kirchenbau war als Modell für zukünftige Kirchen in Südkorea gedacht, blieb aber ein singulärer Bau.

Ottokar Uhl (1931–2011), Absolvent der Meisterklasse von Lois Welzenbacher an der Akademie der bildenden Künste Wien, besuchte 1957 das legendäre Sommerseminar von Konrad Wachsmann in Salzburg, das vielen österreichischen Architekten den Zugang zu industrieller Vorfertigung erleichterte. Bekannt wurde Uhl durch seine innovativen Kirchenbauten, die die liturgischen Reformen nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil widerspiegeln. Neben der Kirche in Daegu entwarf er allein in den 1960er Jahren 37 Kirchen und Kapellen in Österreich und legte den Fokus auf Material und Konstruktion: „Trennt man nämlich von der Aufgabe, eine Kirche zu bauen, all das, was mit den Mitteln der Technik nicht ausdrückbar ist, so bleibt die profane Aufgabe […] eine Halle mit großer Spannweite zu bauen.“

Wegen der großen Entfernung zu Österreich sowie den unterschiedlichen Baunormen und Materialien war der Kirchenbau in Daegu komplex. Uhl besuchte die Baustelle dreimal, sah den fertigen Bau jedoch nie. 1988 erfuhr die Kirche durch das Einziehen einer Decke und diverse Raumunterteilungen umfangreiche Veränderungen im Inneren, bleibt aber dennoch ein bedeutendes Zeugnis für Uhls Architekturauffassung und die liturgische Bewegung nach 1960.